29. Juni 2009
Heute war der erste richtige Sommertag: angenehme Temperaturen schon morgens und eine strahlende Sonne über dem Ermland. Genau die richtigen Voraussetzungen für den Tag. Nach einem kleinen Frühstück auf dem Marktplatz in Frombork ging es mit der Fähre quer über das Frische Haff. Ebenfalls an Bord war ein Hamburger Paar mit einer umfangreichen Erfahrung an Radtouren. Wir haben uns angeregt über das Reisen per Fahrrad und unsere Erlebnisse ausgetauscht. Außerdem berichtete ein älterer Herr, der in Elblag geboren und als Kind vertrieben wurde, von den alten Zeiten der Handelsstadt und seinen Unternehmen. So wurde die Überfahrt zu einer kurzweiligen Angelegenheit. In Krynica Morska gilt ein knallroter Leuchtturm als Wahrzeichen; tatsächlich beleuchtet er beide Seiten des schmalen Landstreifens. Der Aufstieg über eine schmale Wendeltreppe wird durch die klare Sicht in alle Himmelsrichtungen belohnt. Man sieht auch, daß die Nehrung ganz schön hügelig und weitgehend bewaldet ist. Ein dichtes Netz von Feldwegen bietet Radfahrern und Wanderern immer wieder überraschende Perspektiven auf Flora und Fauna sowie über die Landschaft und das Wasser. Die Orte entlang der Nehrung sind auf den Sommertourismus mit Stränden und Aktivitäten rund ums Meer eingestellt. Die Passanten zeigen neue Bademoden und haben vielfach Hautpartien in der Farbe des Leuchtturms. Gemütlich ging es weiter durch das waldreiche Gebiet. Unterwegs waren immer wieder verschiedene Singvögel und Kormorane zu beobachten. Gegen Abend bin ich in Sztutowo angekommen. Beinahe vor jedem Haus werben die Eigentümer mit freien Fremdenzimmern. Tatsächlich sind viele Grundstücke so groß, daß einige Apartments darauf gebaut sind und immer noch genügend Platz zum Spielen und Ausspannen bleibt.
30. Juni 2009
Heute stand ein ausführlicher Besuch des ehemaligen Konzentrationslagers im Focus. In Stutthoff wurden überwiegend renitente Polinnen und Polen während des Krieges interniert und zu Zwangsarbeit verpflichtet. Das Gelände umfaßt im wesentlichen einige Häftlingsbaracken mit einer Ausstellung zu Vorgeschichte, Ausdehnung und Haftbedingungen des Lagers. Auch das Krematorium mit einer kleinen Gaskammer wird als zentraler Erinnerungsort gezeigt. Als Besucher ist man immer wieder entsetzt, zu welchen Abscheulichkeiten der Mensch fähig war und ist. Nicht nur die kompromißlosen Grausamkeiten, sondern auch die konsequente Professionalisierung der nationalsozialistischen Konzentrationslager berührten mich tief im Inneren. Kritisch darf man anmerken, das sei bitte selbst einem Deutschen erlaubt, daß die Ausstellung das altbekannte Muster wiedergibt: Hier die armen Gefangenen, dort die bösen Nazis. Die nachgeborene Generation möchte auch einen Schritt weitergehen; sie wünscht sich zusätzlich zur Darstellung des Geschehenen auch eine Strategie zur Aussöhnung zwischen Opfern, Tätern und deren Nachkommen. Die KZ-Gedenkstätte in Sztutowo wäre ein guter Ort dafür.
Fot. W. Leszczyński